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Freundeskreis "Helmut Marquardt" - Ausführlicher Bericht

Ausführlicher Bericht.

1)      Geschichte des Rechtsfalls Marquardt:

 

Am 19.02.2002 wurde der damals 75-jährige Rentner Herbert Scheibe brutal ermordet. Am 02.07.2002 wurde sein Schwager und Nachbar Helmut Marquardt (damals 66) als Hauptverdächtigter verhaftet. Nach 39 Verhandlungstagen wurde er mangels Tatverdacht – die Beweismittel der Staatsanwaltschaft reichten dem Richter offenbar nicht aus – wieder auf freien Fuß gesetzt. Ca. 3 Monate später (Februar 2004) wurde er wieder verhaftet und zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Es war ein ausschließlicher Indizienprozess, in dem vier Beweismittel zum Tragen kamen:

 

-          Da Hauptbeweismittel war eine DNA-Spur von Herrn Marquardt an zwei Fingern des Ermordeten. Die vom Gericht beauftragten Sachverständigen hatten eindeutig bewiesen, dass es sich bei dieser DNA-Spur um eine Primär-Spur handelte, d.h. sie war nicht durch Sekundär-Übertragung – z.B. durch die Übertragung der Tageszeitung – zustande gekommen.

 

-          Außerdem hatte man eine Kombizange in der Werkstatt von Herrn Marquardt gefunden, bei der eindeutig bewiesen war, dass damit die Kabelbinder, mit denen der Ermordete gefesselt war, abgeschnitten worden waren.

 

-          Einige der Zeugen hatten erklärt, dass das Verhältnis zwischen Helmut Marquardt und seinem Schwager zerrüttet gewesen sei.

 

-          Außerdem meinte das Gericht nachweisen zu können, dass nur Herr Marquardt im Besitz der Kabelbinder sein konnte, mit denen Herbert Scheibe gefesselt worden war – weil er 12 (!) Jahre vorher in einer Firma in Hamburg gearbeitet hatte, in der diese Kabelbinder mit diesem speziellen Emblem in Verwendung gewesen waren.

 

Allerdings stellte das Gericht in seinem Urteil ausdrücklich fest, dass bei Herrn Marquardt ein Motiv für die Mordtat nicht gefunden werden konnte.

 

Herr Marquardt legte Revision ein, wozu ein Rechtsanwaltsbüro aus Stuttgart beauftragt worden war. Nach ca. einem Jahr kam die Ablehnung des Revisionsantrags durch den Bundesgerichtshof, wodurch das Urteil ab Anfang 2005 rechtskräftig wurde.

In diesem Fall zeigte sich schon die Problematik unseres Strafrechts, das keine zweite Tatsacheninstanz bei Kapitalverbrechen kennt. Der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz kann nur formale Fehler, also Verfahrensfehler begutachten. Und so spielten die im Revisionsantrag behandelten inhaltlichen Probleme des Urteils wie z.B. das Verschweigen von in den Ermittlungsakten erwähnten Spuren wie z.B. Kotanhaftungen, Urinflasche, Fußspuren in Küche und Schlafzimmer und die Tatsache, dass keine weiteren Spuren von Herrn Marquardt gefunden worden waren, in der Beurteilung des BGH offensichtlich keine Rolle.

 

Mit der Rechtskraft des Urteils wechselte Herr Marquardt auch die Haftanstalt: Von der JVA Halle I wurde er in die JVA Naumburg verlegt.

 

Herr Marquardt hat die Tat immer bestritten, und so setzte er seine ganze Energie auf das Rechtsmittel Wiederaufnahme. Er beauftragte damit wieder seinen ersten Anwalt. Im Jahre 2006 reichte dieser einen Wiederaufnahmeantrag ein, in dem er eines der im Urteil benannten Indizien widerlegen konnte und diese Widerlegung als einziges neues Beweismittel gebrauchte: es ging um die Behauptung, dass Herr Marquardt als einziger die Sorte Kabelbinder, mit denen das Mordopfer gefesselt war, besessen habe. Diese Behauptung konnte aber nicht stimmen: Denn auf einem Abfallhaufen des Friedhofs in Lodersleben wurden nämlich eben solche Kabelbinder mit diesem bestimmten Emblem gefunden. Im Januar 2007 kam die Ablehnung dieses Wiederaufnahmeantrags, nach dem Urteil des späteren Anwaltes, Herrn Dr. S., überhaupt kein Wunder: in einem Wiederaufnahmeantrag muss nämlich mit neuen Beweismitteln das alte Urteil ausgehebelt werden. Im Urteil waren – wie oben festgestellt – aber 4 Indizien benannt, die den Schuldspruch gegen Herrn Marquardt begründen sollten. Wenn von 4 Indizien aber nur 1 Indiz widerlegt wird – so die Beurteilung von Dr. S. – dann bleiben immer noch die 3 anderen Indizien bestehen.

 

2) Die neue Aussage:

 

Eine neue Situation ergab sich allerdings, als Herr Marquardt im Januar 2007 – kurz nachdem er von der endgültigen Ablehnung dieses Wiederaufnahmeantrags durch das Oberlandesgericht erfahren hatte, einem Freund etwas erzählte, was er vor Gericht auf Anraten seines Anwaltes niemals vorgetragen hatte: dass er nämlich den ermordeten Herbert Scheibe gefunden hatte und ihn angefasst hatte und so diese DNA-Spur, die ihm zum Verhängnis geworden war, zustande gekommen sei. Seine Erzählung lautete – nachträglich von ihm in schriftliche Form gefasst - wie folgt:

 

 

„Mein Erlebnis am Mittwoch, 20.03.2002:

Meine Frau und ich haben in aller Ruhe gefrühstückt und dabei beschlossen, mit dem Auto eine Besichtigungs- und Einkaufsfahrt nach Bad Frankenhausen zu machen. Unterwegs haben wir einen Imbiss eingenommen und waren am Nachmittag wieder zu Hause, haben Kaffee getrunken und die Zeitung gelesen. Meine Frau ging dann in den Heizraum, um Wäsche zu bügeln. Ich machte mich auf den Weg, um meinem Schwager wie immer die Zeitung zu bringen. Es mag so zwischen 17.00 und 17.30 Uhr gewesen sein, als ich durch die Verbindungstür und dem Schiebetor der Scheune auf den Hof vom Schwager angekommen bin. Aus Gewohnheit, die aus der Zeit als meine Schwester noch lebte, stammte, schaute ich zur Fensterfront hoch und wurde stutzig, dass die Übergardinen im Wohnzimmer, die nie zugezogen wurden, zugezogen waren. Die Fluranbautür zum Hof war verschlossen, und es steckte von innen der Schlüssel im Schloss. Auch das fand ich merkwürdig, dass um diese Zeit die Tür schon verschlossen war. Ich ging zum Hoftor, die Durchgangstür war verschlossen, verriegelt, und es steckte wie immer der Schlüssel im Schloss. Beim Zurückgehen warf ich noch einen Blick durch die Glastür des Fluranbaues. Mir fiel auf, dass das Fenster von der Waschküche in den Fluranbau offen stand. Das hat mein Schwager sehr oft aufgelassen, um die Restwärme aus der Waschküche in den Flur zu lassen. Da mir das alles sehr merkwürdig vorkam, rief ich mehrere Mal „Hallo” – in der Hoffnung, dass mein Schwager, selbst wenn er bei verschlossenem Fenster sich in der Wohnung aufgehalten hätte, es hätte hören müssen. Da keine Reaktion kam, besorgte ich mir den Schlüssel von der Waschküchentür und bin dann, nachdem ich mir einen Stuhl aus der Waschküche ans Fenster stellte, durch das offene Fenster in den Fluranbau geklettert.

Im Flurananbau angekommen ging ich dann durch die immer offen stehende Tür, in den Flur des Wohnhauses hinein. Dort sah ich, dass die Tür zum Treppenaufgang aufgebrochen war und ca. 10 cm offen stand. Außerdem sah ich, dass der Schirmständer am Ende des langen Flures umgeworfen war. Hier setzte bei mir körperliche spürbare Angst ein (Bluthochdruck und Schweißausbruch). Mit dem Fußrücken machte ich die Tür auf. Ich ging dann die sehr steile Treppe hoch und blieb auf halber Treppe stehen und habe laut „Herbert!” gerufen. Als auch hier keine Antwort kam, wurde es mir von Stufe zu Stufe unheimlicher. Ich kam dann im oberen Flur an und sah, dass die Küchentür aufstand. Und um die Ecke schauend sah ich, dass auch die Badezimmertür aufstand, die sonst nie aufgestanden hatte. Das gleiche galt für die Tür zur Abstellkammer. Auch die Esszimmertür stand auf. Ich ging dann langsam durch das Esszimmer hindurch und durch die ebenfalls offenstehende Wohnzimmertür ins Wohnzimmer.

Mir wurde unheimlich und ich sah sofort meinen Schwager in einer Seitenlage und mit dem Rücken zur Sofalehne auf dem Sofa liegen. Mein Schweißausbruch war so stark, dass ich mir mit meiner rechten Hand den Schweiß von meiner Stirn abgewischt habe. Ich ging dann zum Fußende hin. Ich sah, dass mein Schwager an Händen und Füßen mit Kabelbinder verschnürt war. Mit der gleichen Hand also, mit der Innenfläche der rechten Hand, mit der ich eben noch den Schweiß von meiner Stirn abgewischt habe, habe ich die Fingerspitzen meines Schwagers berührt. Ich weiß nicht mehr, welche Hand ich berührt habe, aber ich erinnere mich, dass die Finger sehr kalt waren. Da man mir bei der Verhaftung und Vernehmung vorgeworfen hat, man hätte über 100 Zeugen, Fingerabdrücke und eine DNA von mir, kann die DNA nur so, wie ich es geschildert habe, an meinen Schwager gelangt sein. Eine andere Berührung gab es nicht.

Ich sah auch sofort, dass Herbert Strümpfe und Pantoffeln an hatte. Damit hätte er sich nie aufs Sofa gelegt. Am Fußende vom Sofa lagen 2 Stück Kothaufen auf dem Teppichboden in ca. 30 cm Abstand voneinander. Daneben lag eine Urinalflasche mit Inhalt. Ich sah auch, dass die Stehlampe an war und die Sessel und der Wohnzimmertisch nicht da standen, wo sie immer gestanden haben.

Ich ging dann um den schrägstehenden Tisch und den gänzlich falsch herumstehenden Sessel zum Kopfende hin, dabei fiel mir auf, dass die Türen des Wohnzimmerschrankes aufgerissen und alle Schubladen herausgezogen waren und dass auf dem Fußboden mehrere Geldbörsen und Wäschestücke lagen.

Mit den Fingerspitzen der linken Hand hob ich nun das Kopfkissen, mit dem Herbert sein Kopf und Oberkörper abgedeckt waren, hoch. Ich sah das viele Blut, den blutverschmierten Kopf, die blutverschmierte Couch, die große Blutlache auf dem Fußboden. Erst jetzt habe ich gemerkt und begriffen, dass Herbert tot war. Mir wurde durch den Anblick und das viele Blut schlecht und übel und ich hatte nur ein Gedanke: weg, nichts wie weg. Ich will nichts mit einem Mord zu tun haben. Danach fehlt mir jede Erinnerung und Zeitgefühl. Wie ich die steile Treppe runtergekommen bin, welchen Weg ich genommen habe, ist und war nicht Teil meiner Erinnerung, sondern ich konnte es mir nur nachträglich zusammenreimen. Meine Erinnerung beginnt erst wieder, dass ich in der Scheune war und über den Tod von Herbert Scheibe sehr geweint habe. Ich muss wie in einem Schockzustand gewesen sein.

Ich verbrachte – so vermute ich es – ca. 30 Minuten in der Scheune. Ich entschloss mich nun, nach Hause zu gehen und die Polizei zu verständigen.

Ich wollte gerade das Scheunentor zuschieben, da sah ich durch den Hof und den verglasten Fluranbau, dass sich Leute auf dem Flur im Haus vom Schwager bewegten …”

… und er hat dann die Polizei doch nicht angerufen.

 

Dieser Freund riet ihm, zu seinem bisherigen Anwalt, der ihn zum Verschweigen der Wahrheit gedrängt hatte und ihn bei Gericht sozusagen „ins offene Messer hat laufen lassen“, sofort jeden Kontakt abzubrechen und mit einem neuen Anwalt die Wiederaufnahme zu versuchen.

 

3) Der gescheiterte zweite Wiederaufnahmeantrag

 

Das war allerdings ein mit Rückschlägen verbundenes Unterfangen. Es dauerte noch einmal zwei Jahre – bis Anfang 2009 -, bis der Wiederaufnahmeantrag durch den neuen Anwalt, Dr. S.) formuliert war.

Der Wiederaufnahmeantrag bildete den Versuch, die 4 vom Gericht gebrauchten Beweismittel zu widerlegen:

a)    Die DNA-Spur:

Es gab die schriftliche Bestätigung des alten Anwaltes, der von der Schweigepflicht entbunden worden war, dass Helmut Marquardt ihm vor Beginn der Hauptverhandlung erzählt hatte, dass er die Leiche seines Schwagers gefunden und angefasst habe und dass er ihm abgeraten habe, dieses Erlebnis vor Gericht vorzutragen.

Außerdem gab es eine eidesstattliche Versicherung einer etwa 84jährigen Frau aus Lodersleben (Frau N), die bestätigt hatte, dass Herr Marquardt etwa 3-4 Wochen nach dem Mord ihr und ihrem Mann in aller Vertraulichkeit erzählt hatte, dass er die Leiche von Herrn Scheibe gefunden und angefasst habe.

 

b)      Die Kabelbinder:

Hier nahm dieser Wiederaufnahmeantrag Bezug auf den ersten Wiederaufnahmeantrag, in dem festgestellt war, dass genau diese Kabelbinder auch auf dem Friedhof in Lodersleben gefunden worden waren.

 

c)      Die angebliche Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Helmut Marquardt und seinem Schwager:

Hier wurde im Wiederaufnahmeantrag eine Aussage der Enkelin von Herrn Marquardt, Frau W, aufgenommen, die sich gut an ihre Besuche als Jugendliche in Lodersleben erinnert und dabei an einen Satz, den ihr „Onkel Herbert“ öfters geäußert hatte: „Das werde ich Deinem Opa nie vergessen, was er alles für mich getan hat.“

 

d)     Die Kombizange:

Was die Kombizange anging, wurde auf die Tatsache verwiesen, dass sich Helmut Marquardt und Herbert Scheibe oft Werkzeuge ausgetauscht hatten und Helmut Marquardt bei Gericht Zangen vorgeführt wurden, die er nie vorher gesehen hatte..

 

Es bedeutete eine riesige Enttäuschung für Herrn Marquardt und alle Beteiligten, dass dieser gut fundierte und formulierte Wiederaufnahmeantrag vom Landgericht Magdeburg abgelehnt wurde. Die Begründung war: Das Urteil habe die Schuld von Herrn Marquardt eindeutig bewiesen, also könne die neue Aussage nicht stimmen und als neues Beweismittel anerkannt werden. Gegen diese Ablehnung legte Dr. S. Beschwerde beim Oberlandesgericht Naumburg ein.

Darin bezeichnete er die Argumentationsweise des Landgerichts Magdeburg als Zirkelschluss - denn die neue Aussage von Herrn Marquardt widerlegte doch gerade das alte Urteil, aber nun wurde mit dem alten Urteil gegen die neue Aussage von Herrn Marquardt argumentiert -  , womit er vom OLG recht bekam: Denn anders als das Landgericht Magdeburg erkannte dieses die neue Aussage von Herrn Marquardt als neues Beweismittel an, jedoch brachte es ein völlig neues – vorher nicht formuliertes – Argument vor. Es erklärte, es sei nicht plausibel, dass Herr Marquardt diese neue Aussage nicht schon vorher vorgebracht habe: nicht bei der Hauptverhandlung und nicht einmal bei seinem ersten Wiederaufnahmeantrag. Herr Marquardt hätte doch bei Hauptverhandlung schon wissen können, dass es bei ihm – wenn er als Mörder verurteilt würde – um eine lebenslängliche Haftstrafe ging. Wegen dieser nicht vorhandenen Plausibilität der neuen Aussage von Herrn Marquardt lehnte das OLG Naumburg die Beschwerde ab.

 

Es war ein neues Argument, das nun nicht mehr widerlegt werden konnte: Nicht weil es keine Gegenargumente gab, sondern weil der Instanzenweg erschöpft war. Für Herrn Marquardt und seinen Anwalt blieb jetzt nur noch die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht. Nach 1 ½ Jahren Wartezeit wurde auch diese – obwohl sie gut begründet war – im Mai 2012 ohne Begründung abgelehnt. Eine Verpflichtung zur Begründung hat das Bundesverfassungsgericht nicht.

 

Damit nun ist die rechtliche Sackgasse, in der Herr Marquardt steckt, beschrieben: Es zeigt sich hier eine äußerste Kluft zwischen formalem Recht und materiellem Recht, oder anders gesagt: zwischen formalem Recht einerseits und Gerechtigkeit und Wahrheit andererseits.

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4) Objektive Befunde, die Helmut Marquardt entlasten:

 

Es gibt objektive Befunde, die unter der Annahme, dass Herr Marquardt der Mörder seines Schwagers sei, nicht geklärt sind:

a)      Ein Haar mit fremder DNA auf dem Unterhemd des Ermordeten.

b)      Eine Blutanhaftung mit fremder DNA unter einem Fingernagel des Ermordeten.

c)      Fremde Fußspuren in Küche und Schlafzimmer des Ermordeten

d)     Kothaufen bzw. Kotanhaftungen auf dem Teppich des Tatortes Wohnzimmer.

e)      Ein Schreiben, das das Bundeskriminalamt für echt erklärt hat, in dem Herbert Scheibe erklärt, dass er von seinem Neffen genötigt, gezwungen und erpresst worden sei, das „Berliner Testament, in dem Helmut Marquardt und Christa Wienhold nach dem Tod von Helga und Herbert Scheibe zu Schlusserben für Haus und Grundstück Scheibe erklärt werden, umschreiben zu lassen.

 

5) Ungereimtheiten in dem vom Gericht konstruierten Handlungsablauf:

 

Es gibt Ungereimtheiten in dem vom Gericht konstruierten Handlungsablauf des Mordgeschehens:

a)      DNA-Spuren von Herrn Marquardt an den Fingern des Ermordeten, nicht aber an den Kabelbindern, mit denen der Ermordete gefesselt war.

 

b)      Die Tatsache, dass keinerlei sonstige Spuren und Hinweise gefunden worden sind, die unter der Voraussetzung, dass Herr Marquardt der Mörder wäre, zu erwarten gewesen wären: z.B. keine Blutspritzer außerhalb des Tatortes und keinerlei Anzeichen von blutverschmierter Kleidung.

 

c)      Die Tatsache, dass keine Tatwaffe gefunden worden sind: nicht das Messer, mit dem Herbert Scheibe erstochen worden ist, nicht das Schlagwerkzeug, mit dem er erschlagen worden ist. Das Gericht konnte, nicht einmal sagen, um was für ein Schlagwerkzeug es sich gehandelt hat..

 

d)     Die Tatsache, dass niemand - insbesondere seine Frau nicht - irgendwelche Verhaltensauffälligkeiten von Helmut Marquardt am Tattag, dem 19.03.2002 und dem Tag danach bis zum späten Nachmittag bemerkt hat. Am 20.03.2002 ging Helmut Marquardt mit seiner Frau in Bad Frankenhausen noch in aller Seelenruhe einkaufen.

 

e)      Die Tatsache dass Staatsanwaltschaft und Gericht sich selbst unsicher waren, ob Herr Scheibe vor seiner Ermordung geschlafen hat oder wach war: In der Anklageschrift ist davon die Rede, dass Herr Scheibe sich gewehrt habe, im Urteil heißt es, Herr Scheibe habe geschlafen.

 

f)       Die Tatsache, dass niemals wirklich untersucht worden ist, ob Herr Marquardt körperlich in der Lage gewesen ist, Herbert Scheibe so brutal zu ermorden. Am Nachmittag des 19.03. war er wegen Rückenschmerzen bei seiner Ärztin und hat eine Spritze bekommen. Herbert Scheibe war trotz seines Alters größer und kräftiger als Helmut Marquardt.

 

g)      Der Widerspruch in den Aussagen des Gerichts: Einerseits stellt es mit Hilfe von Aussagen von sehr einseitig ausgewählten Zeugen fest, dass das Verhältnis zwischen Helmut Marquardt und Herbert Scheibe zerrüttet gewesen sei, andererseits muss es aber einräumen, dass Helmut Marquardt regelmäßig die abgelesene Tageszeitung in die Wohnung herübergebracht hat.

 

 

 

 

6) 100 %iges Alibi für Helmut Marquardt:

 

Seine Lebensgefährtin, Frau Christa Wienhold, hat unter Eid ausgesagt, dass Helmut Marquardt am Nachmittag und Abend des 19.03.2002 den ganzen Abend mit Rückenschmerzen zu Hause gewesen sei. Demzufolge hätte sie unter der Voraussetzung, dass Herr Marquardt der Mörder wäre, eigentlich wegen Meineides ebenfalls verurteilt werden müssen.

 

7) Damals und heute


Am 10. Januar 2004 war in der Mitteldeutschen Zeitung folgender Artikel zu lesen:

Nach Mord in Lodersleben lebenslange Gefängnisstrafe.

Verurteilter Schwager bestreitet Tat – Revision beim Bundesgerichtshof

 

Von Herbert Rost

 

Halle/MZ.

Für den Mord an einem 78-jährigen Rentner in Lodersleben (Landkreis Merseburg-Querfurt) hat das Landgericht Halle gestern den 66 Jahre alten Helmut M. zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Angeklagte hat den Mord an seinem Verwandten immer bestritten. Als Gerichtsvorsitzender Klaus Braun das Urteil verkündete, herrschte spannungsvolle Stille im Saal 141. Denn bis zum Richterspruch war unklar, ob es, wie von vielen Beobachtern erwartet, einen Freispruch für Helmut M. oder einen Schuldspruch geben würde.

 

Das Gericht sah als erwiesen an, dass der gelernte Kfz-Mechaniker im März 2002 seinen Schwager in dessen Wohnung heimtückisch umgebracht hatte. Der Angeklagte wurde noch im Gerichtssaal verhaftet, nachdem er im Oktober vorigen Jahres wegen fehlenden dringenden Tatverdachts vom Gericht auf freien Fuß gesetzt worden war. Länger als ein Jahr hatte die Beweisaufnahme gedauert. An den 47 Verhandlungstagen waren 114 Zeugenaussagen und vierzehn Gutachten gehört worden. „Leider gab es auch Falschaussagen von Loderslebener Bürgern, die das Gericht zeitweise auf eine falsche Spur führten“, hieß es in der 90-minütigen Urteilsbegründung.

 

Am Abend des 19. März 2002 habe sich M. Zugang zum Wohnzimmer des Opfers verschafft. Dem auf der Couch Schlafenden habe er vier wuchtige Schläge auf den Kopf versetzt. Danach habe er den Bewusstlosen mit Kabelbindern an Händen und Füßen gefesselt und mit einem Messer zweimal in den Hals gestochen. An den schweren Blutungen starb das Opfer .

 

Das entscheidende Indiz für den Schuldspruch für Helmut M., so Braun, sei ein DNA-Abdruck auf der Hand des Toten. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:1,7 Milliarden stamme dieser vom Angeklagten, so die Gutachten. Dieser Abdruck könne nur durch Haut-zu-Haut-Kontakt entstanden sein, etwa beim Fesseln des Opfers. Neben der DNA-Spur wurden auch entsprechende Kabelbinder und die Kombi-Zange beim Verurteilten gefunden. „Obwohl bei der Tat ein Erbschaftsstreit als Motiv möglich und anzunehmen ist, konnte dennoch das Tatmotiv nicht eindeutig ermittelt werden. Da muss es noch etwas anderes gegeben haben“, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Braun.

 

Mit seinem Urteil folgte das Gericht in vollem Umfang dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Demgegenüber hatte die Verteidigung für ihren Mandanten Freispruch beantragt und jetzt Revision beim Bundesgerichtshof angekündigt.

Deutlich sind die Zweifel des damaligen Berichterstatters herauszuhören. Aber: „Im Zweifel für den Angeklagten“ bedeutet – so haben wir es in der Zwischenzeit lernen müssen: Ob die Öffentlichkeit Zweifel hat, spielt keine Rolle, es kommt nur darauf an, dass der Richter subjektiv keine Zweifel hat. Und ob er in seinem tiefsten Innern vielleicht doch Zweifel hatte, entzieht sich natürlich jeder Kontrolle.

 

Klar ist nur, dass Herr Marquardt seit diesem 9. Januar 2004 fast ununterbrochen in Haft ist. Es gab eine Ausnahme: Im Jahre 2009 musste er sich einer Herz-Operation unterziehen mit anschließender Reha-Kur in Heiligenstadt. Dort war er ein Gast wie jeder andere und wurde zuvorkommend behandelt, wie es sich für eine Reha-Klinik gehört. Er genoss diese Zeit und lebte sichtbar auf.  Als die Zeit zu Ende war, ließ er sich – pflichtbewusst wie er immer gewesen ist - mit dem Taxi nicht nach Lodersleben fahren, wo seine Frau seit 2004 sehnsüchtig auf ihn wartet, sondern dorthin, wo die Gittertüren sich wieder schlossen, in die damalige JVA Naumburg. (Für den Taxifahrer wohl auch ein einmalig erlebter Vorgang.) Im April 2012 wurde er von dort in die JVA Burg verlegt. Er ist im 12. Jahr der Haft. Nach weiteren Herzinfarkten sagen die Ärzte ihm, er sei „austherapiert“. Für die Staatsanwaltschaft Halle immer noch kein Grund für Haftunterbrechung. Nach der Beschwerde seiner Anwältin muss darüber nun das Landgericht Stendal entscheiden. Auf diese Entscheidung warten wir nun.

 

Wer immer noch sagt, das sei alles rechtens gewesen, der hat – meine ich – irgendetwas nicht verstanden von unserem Grundgesetz, dessen erster Satz lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“